Knapp zwei Tonnen Leergewicht, verteilt auf fünf Meter Länge. Nicht unbedingt die idealen Voraussetzungen für einen agilen und knackigen Sportwagen. Schon die Physik wirft der Masse schliesslich Trägheit vor. Deshalb ist der Porsche Panamera in erster Linie eine Oase des Luxus, in welcher man in aller Ruhe dahingleiten kann. Doch Porsche bleibt sich selbst treu und darum wird der Panamera auf Knopfdruck zum knallharten Sportler, der die Grenzen der Physik beinahe neu definiert. In diesem Auto treffen Luxus, Exklusivität, Sportlichkeit und Hightech aufeinander – allerdings mit einer Priese Unverschämtheit garniert.
Der neue Panamera ist äusserlich nur an Details, wie beispielsweise dem markanten Vier-Punkt LED Tagfahrlicht zu erkennen. Die optischen Änderungen zum Vorgänger sind marginal. Trotzdem polarisiert der Panamera nach wie vor, sein Design gefällt, oder gefällt eben überhaupt nicht. Fakt ist, dass er mit 5.02 Meter Länge und 1.93 Meter Breite ein echter Strassenkreuzer ist, mit dem man gewisse Tiefgaragen lieber meidet. Durch die lange und gestreckte Silhouette wirkt der Panamera elegant, während seine ausladende Hüfte hinten knackig aussieht. Das fliessende Design wird übrigens nicht durch Kleinigkeiten, wie Dachantenne, Heckscheibenwischer, oder Kofferraumgriff unterbrochen, so dass der Wagen wie aus einem Guss wirkt.
Im Interieur ist alles Porsche-Like, was bedeutet: Zündschloss links vom Lenkrad und fünf Instrumente mit zentralem Drehzahlmesser inkl. digitalem Tacho, der Analoge ist aufgrund der miserablen Skalierung sowieso unbrauchbar. Eine massive, von Knöpfen übersäte Mittelkonsole separiert die Passagiere – vorne, wie auch hinten, was den Panamera zum 4-Plätzer macht. Diese vier Plätze erweisen sich dank Einzelsitzen als äusserst bequem – vorne dank perfekter Ergonomie und hinten dank einer Ausbuchtung im Dachhimmel (von aussen nicht sichtbar) für bessere Kopffreiheit. Was die Knopfflut betrifft, so folgt Porsche der Philosophie “ein Knopf für jede Funktion”. Das erspart einem viele verschachtelte Untermenüs und so unübersichtlich die Mittelkonsole auf den ersten Blick auch erscheinen mag, nach kurzer Zeit entdeckt man eine klare Gliederung. Ich fand mich jedenfalls auch ohne Betriebsanleitung bestens zu Recht. Wie man es angesichts des Preises auch erwartet, ist die Verarbeitungsqualität perfekt. Jede Naht sitzt, nichts knarzt und ächzt, auch wenn man das Material fest drückt oder die Bose Soundanlage aufdreht. Was ich jedoch nicht verstehe ist, warum man auf dem Multifunktionslenkrad die Audiotitel nicht überspringen kann und keine anständigen Schaltpaddels, sondern gewöhnungsbedürftige “Schaltknöpfe” montiert werden. Wer Schaltpaddels wünscht, muss ein anderes Lenkrad ordern, was mein klarer Favorit wäre, auch, was die Optik betrifft, weil es ohne Tasten, dafür mit Geradeaus Markierung ausgerüstet ist.
Der doppelt aufgeladene 3-Liter V6 erwacht mit einer kurzen, aber ausdrucksstarken Fanfare zum Leben. Im Sinne der Effizienzsteigerung hat Porsche den 4.8 Liter V8 Sauger des Vorgängers durch den neuen Sechszylinder ersetzt. Aber mit Downsizing alleine ist es noch nicht getan. Im normalen Fahrbetrieb mit sanftem Gasfuss scheint sich alles aufs Spritsparen zu konzentrieren: Die Start-Stopp-Automatik stellt den Motor bereits beim Ausrollen sanft ab, das PDK wählt so hohe Gänge, dass der Motor bei 1000 Umdrehungen vor sich hin lümmelt und wenn man den Wagen rollen lässt, wechselt das Getriebe in den Segel-Modus – koppelt also den Motor aus – damit möglichst wenig kinetische Energie verloren geht. Trotz des potenten Motors und dem beachtlichen Leergewicht stehen unterm Strich beeindruckende 8.9 Liter Verbrauch pro 100 km auf dem Papier. Davon war ich im Test mit 13.2 l/100 km zwar meilenweit entfernt, wobei ich zur Verteidigung von Porsche anfügen muss, dass dieser Wert aufgrund eines Filmdrehs mit ständigem Stop-and-Go und regelmässiger Nutzung des Sport (Plus) Modus während des Tests nicht sehr repräsentativ ist. Ohne grossen Verzicht auf Fahrspass wären wahrscheinlich Werte von 11 Litern und weniger möglich.
Verbrauchswerte sind in den Augen von Porsche Kunden wahrscheinlich sowieso zweitrangig, deshalb kann der Panamera sein Wesen vom braven, verbrauchsoptimierten Gleiter sehr, sehr schnell ändern. Hätte es der Fahrer gerne würziger, so stehen ihm dafür die Knöpfe Sport und Sport Plus zur Verfügung. Im Sport Modus versteift sich der Panamera spürbar, die Gasannahme wird direkter und das PDK schaltet später hoch und früher runter – das übliche Sportprozedere halt. Ich sage jedoch schon beim Döner Verkäufer immer bitte mit Scharf, also soll bitteschön auch der Panamera mit Scharf versehen werden. Jetzt kommt also Sport Plus – wruummmm! – was war denn das?? Auf einen Schlag hat das PDK den zweiten Gang reingehauen, einfach so! Na, wenn das keine Einladung auf ein heisses Tänzlein ist…! Ich nehme die Einladung sofort an und gebe der Biturbo Maschine mit einem unmissverständlichen Tritt aufs Gaspedal zu verstehen, dass mir jetzt nicht mehr der Sinn nach Magerkost steht. Ehe ich den Gedanken zu Ende gedacht habe, rast der Drehzahlmesser in atemberaubendem Tempo (Turboloch? Was ist das?) auf die 7000 zu, das PDK legt – nein, knallt – den dritten Gang rein und das fröhliche Hochdrehen geht in die nächste Runde. Meine Augen registrieren irgendein dreistelliges Tempo und eine Haarnadelkurve, die verdammt schnell näher kommt, also: Pedalwechsel und in die Eisen treten. Der Panamera bremst, als hätte er einen Fanghaken ausgefahren, während das PDK herunterschaltet, begleitet von wütendem Grollen. Ich durchfahre die Kurve in einer Geschwindigkeit, die mich selber erstaunt, denn die Lenkung ist nichts geringeres als ein Präzisionsinstrument. Währenddessen verteilt der Allradantrieb die Kräfte, die aktive Wankstabilisierung (PDCC – Porsche Dynamic Chassis Control) vermindert die Seitenneigung, das Torque Vectoring bremst das kurveninnere Hinterrad leicht ab – aber das merke ich alles nicht, denn meine Sinne sind sowieso alle vom Adrenalin benebelt. Der Panamera klebt auf der Strasse! Zwei Tonnen Leergewicht? Die scheinen im Sport Plus Modus tatsächlich wie weggezaubert… Apropos Zauber: Der Motorsound klingt im Innenraum verdammt gut, während das, was die Auspuffanlage tatsächlich generiert, eher dezent ist. Wahrscheinlich hat Porsche da ein bisschen in die Trickkiste gegriffen, um im Innenraum diese Soundkulisse zu ermöglichen.
Gegen entsprechend grosszügige Obolusse rüstet Porsche den Panamera mit allem auf, was die Technik derzeit bietet: Adaptive LED Scheinwerfer, Abstandstempomat, Tot-Winkel-Warner, Spurhalteassistent, Surround View System, und so weiter, und so fort.
Porsche – Hersteller der unbegrenzten Möglichkeiten. Das ging mir durch den Kopf, als ich mich im Panamera Online-Konfigurator austobte (ist sicherer als die Strasse, da drohen keine Strafen…). Es gibt scheinbar nichts, was es nicht gibt – vorausgesetzt, man greift entsprechend tief in die Tasche. Für Ausstattungen, wie Assistenzsysteme oder das Schiebedach, welche auch in der Kompaktklasse zu räsonablen Preisen erhältlich sind, verlangt Porsche unverschämt viel Geld, das in keinem Verhältnis mehr steht. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass mein Testwagen Extras im “Wert” von 40’000 CHF mit sich trägt und auf einen Endpreis von rund 185’000 CHF zu stehen kommt.
Die fragwürdige Preispolitik ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass der Panamera eindrucksvoll die Handwerkskunst von Porsche untermauert. Knallharter Sportwagen oder gemächlicher Gleiter, der Fahrer bestimmt, wie die Fahrt heute sein darf. Besonders hervorzuheben sind nochmals die perfekte Verarbeitungsqualität und das PDK, welches während der Fahrt mitzudenken scheint und wirklich immer den richtigen Gang zur Verfügung stellt. Ich vertrete grundsätzlich die Ansicht, dass es das perfekte Auto nicht gibt. Porsche kommt mit dem Panamera dem Perfektionismus allerdings verdammt nahe.
Alltag ★★★★★
Kann man komfortabler als in einem Panamera reisen? Wahrscheinlich nur in einem Rolls Royce oder einer S-Klasse. Der Panamera bietet alles, was man braucht und noch vieles mehr. Der Kofferraum ist allerdings mit 445 – 1263 l nicht besonders gross. In engen Verhältnissen entschärft das optionale Surround View System die Situation.
Fahrdynamik ★★★★★
Auch wenn die Silhouette nicht ganz stimmt, so ist der Panamera zu 100% ein Sportwagen. Ob volle Kraft voraus, kräftiges Bremsen, oder enge Kurven, der Panamera lässt sich durch nichts aufhalten. Er lässt sich hochpräzise fahren und wenns doch mal droht, kritisch zu werden, regelt das ESP so feinfühlig und schnell, dass man es kaum mitbekommt. Dieser Gran Turismo gehört definitiv auf eine Rennstrecke, um das volle Potential auszufahren. (Dafür wäre der Sport Plus Modus inkl. Stoppuhr offiziell auch gedacht…)
Umwelt ★★☆☆☆
Die Bemühungen, die Porsche betreibt, um den Verbrauch im Rahmen zu halten, gehen weit übers Downsizing hinaus. Segelbetrieb und eine sehr schnelle Start-Stopp-Automatik helfen, den Verbrauch nicht überborden zu lassen. Zudem ist das PDK bei ruhiger Fahrt sehr auf niedrige Drehzahlen bedacht. Mein Testverbrauch von 13.2 l/100 km ist angesichts der Fahrweise immer noch (halbwegs) akzeptabel. 11 Liter und weniger wären ohne Probleme möglich.
Ausstrahlung ★★★★★
Ein Porsche hat schon eine gewisse, exklusive Ausstrahlung. Über das Design vom Panamera scheiden sich zwar die Geister, aber Ausstrahlung hat er auf jeden Fall mehr als genug. Wie sie dann auf den Empfänger wirkt, das liegt nicht mehr in seiner Macht.
Fazit ★★★★★
+ Verarbeitung auf höchstem Niveau
+ Perfekte Ergonomie
+ Super bequeme Sitze auf allen Plätzen
+ Berauschende Fahrleistungen trotz hohem Gewicht
+ Sehr Präzise und direkte Lenkung
+ Kraftvoll zupackende Bremsen
+ Perfekt schaltendes PDK Doppelkupplungsgetriebe
+ Perfekter Spagat zwischen Komfort und Sportlichkeit
+ Viele Bemühungen, um Benzin zu sparen
– Exorbitante Grund- und Options-Preise
– Umständliches Multifunktionslenkrad
– Verhältnismässig knapp bemessener Kofferraum
– Hoher, aber absehbarer Testverbrauch
Steckbrief
Marke / Modell | Porsche Panamera 4S |
---|---|
Preis Basismodell / Testwagen | 113'800 CHF / 185'490 CHF |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 2997 ccm / V6 |
Getriebe | 7-Gang PDK |
Max. Leistung | 309 kW |
Max. Drehmoment | 520 Nm |
Beschleunigung 0-100 km/h | 4.5 s |
Vmax | 286 km/h |
Verbrauch Werk / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 8.9 l/100 km / 208 g/km / D |
Verbrauch Test / CO2 Emissionen | 13.2 l/100 km / 308 g/km |
Länge / Breite / Höhe | 5.02 m / 1.93 m / 1.42 m |
Leergewicht | 1945 kg |
Kofferraum | 445 - 1263 l |
(Bilder: Koray Adigüzel)
4 thoughts on “Porsche Panamera 4S: Gran Turismo mit Scharf”