Honda Civic: Ich muss nur noch kurz die Welt retten

Der Honda Civic soll die Welt retten? Bei allem Respekt, die 9. Generation des japanischen Vertreters der Kompaktklasse ist wirklich gut gelungen, aber die Klimaprobleme dieser Welt wird auch er nicht lösen können. Das sogenannte Earth Dreams Technology Label, mit welchem sich der Civic schmückt, vermittelt aber durchwegs den Eindruck, die dazugehörigen Modellen seien das Beste für die Umwelt. Honda nimmt den Mund keineswegs zu voll, der Civic soll in der Basisausstattung nur 3.6 Liter Diesel auf 100 km (höhere Versionen: 3.7 L/100 km) verbrauchen. Ist dies möglich? Und was kann der Japaner sonst noch, ausser knausern?

Verglichen mit dem Vorgänger, der ein sehr expressives Design hatte, ist der aktuelle Civic deutlich zurückhaltender gestylt. Trotzdem erkennt man die Verwandtschaft zum Vorgänger, und auch der aktuelle Civic besitzt ein paar markante Details, die ihn sehr eigenwillig wirken lassen. Da wären die grauen Einfassungen um den Kühlergrill, die versteckten Türgriffe hinten, die ausgestellten Radhäuser, die durchgehenden Rücklichter, die folglich geteilte Heckscheibe und last, but not least, zwei kleine Windabweiser rechts und links unter den Rücklichtern. Somit ist eigentlich klar: Den Civic mag man oder man mag ihn nicht. Ausserdem sieht man es ihm nicht an, aber er ist mit einem cW-Wert von nur 0.27 windschnittiger als beispielsweise der Mercedes CLA im AMG-Dress.
Das Interieur wirkt weniger aufgeregt als im Honda CR-Z Hybrid, trotzdem kann der Civic mit einer zweigeteilten Instrumentierung aufwarten. Oben dominiert der digitale Tacho, daneben finden sich der Bordcomputer und eine grüne – blaue Illuminierung, je nach Fahrstil. Unten finden sich drei klassische Rundinstrumente: Kühlmitteltemperatur, Drehzahlmesser und Tankuhr. Die Idee hinter diesem Konzept ist, dass der Fahrer die Geschwindigkeit wie bei einem Head-Up Display stets im Blick hat. Die Mittelkonsole wirkt dank einem Touchscreen aufgeräumt und ist dem Fahrer zugeneigt. Somit kann ich nur nochmals betonen, dass Honda die Einrichtung eines ergonomischen Cockpits wirklich super hinkriegt.
Aber nicht nur der Fahrerplatz ist prima eingerichtet, auch die hintere Hälfte des Civics hat es faustdick hinter den Ohren. Der Kofferraum fasst nämlich dank des doppelten Bodens 477 Liter, das ist der Bestwert in der Kompaktklasse. Damit nicht genug: Die Sitze lassen sich mit einem Handgriff komplett flachlegen, so dass eine ebene Fläche und ein Laderaum von bis zu 1376 Liter entsteht. Da die Sitze den Namen Magic Seats (serienmässig) tragen dürfen, lassen sie sich auch wie Kinosessel einfach hochklappen, so dass ein Raum für hohe Gegenstände zwischen den Vordersitzen und dem Kofferraum entsteht. Natürlich kann das Flachlegen und Hochklappen im Verhältnis 60:40 kombiniert werden. Das Ganze funktioniert super simpel, ohne mühsames aus- oder umbauen, einfach ziehen und der Rest passiert von alleine. Dies ist möglich, weil der Tank nicht wie üblich unter der Rückbank, sondern unter den Vordersitzen liegt. Da kann ich nur sagen: Daumen hoch!

Jetzt wird es aber Zeit für etwas Technik, schliesslich soll der äusserst variable Civic ja auch fahren. Mit dem Label Earth Dreams Technology möchte Honda besonders sparsame und effiziente Aggregate vermarkten. Der seit Anfang 2013 im Civic erhältliche 1.6 Liter Diesel ist der erste Vertreter der Erdenträume. Mittlerweile ist der Motor auch für den SUV CR-V erhältlich. Der Selbstzünder gefällt vor allen durch seinen sehr ruhigen und leisen Lauf, selbst nach dem Kaltstart oder bei starker Beschleunigung, nagelt er nur verhalten vor sich hin. Zu verdanken sind diese positiven Eigenschaften der Gewichtsoptimierung. Die Japaner haben jedes noch so kleine Bauteil akribisch untersucht, um es so leicht wie möglich zu konstruieren. Weniger Gewicht bedeutet weniger Verbrauch und eine geringere innere Reibung. Diese wiederum sorgt für einen ruhigen Motorenlauf. Laut Honda ist der 1.6 Liter Diesel 47 Kilo leichter als sein grösserer 2.2 Liter Bruder und auch das leichteste Dieselaggregat seiner Klasse. Je nach Drehzahl ist die innere Reibung bis zu 40% geringer als im grösseren Diesel. Der kleinere Hubraum ist aber keine Verzichtserklärung, denn mit 300 Nm Drehmoment und 1.5 Bar Ladedruck ist man zügiger unterwegs, als es die Leistung von 88 kW vermuten lässt. Für einen Diesel hängt der Motor zudem sehr feinfühlig am Gas.
Gekoppelt ist der Motor an ein Honda-typisches, knackiges und präzises 6-Gang Schaltgetriebe, dessen Gänge gut gespreizt sind. Fahrdynamisch ist der Civic somit keineswegs ein Vernunftsauto, allerdings auch keine Sportskanone. Das Fahrwerk ist ausgewogen abgestimmt, so dass ein möglichst guter Kompromiss zwischen Kurvenfahrt und Langstreckenkomfort ermöglicht wird. Auch im Civic ist der ECON Modus verfügbar, um die Kraftstoffeffizienz zu verbessern. Wie im CR-V war er während dem Test die ganze Zeit aktiv, da er im Gegensatz zum CR-Z Hybrid viel weniger Leistung schluckt und ich nie das Gefühl hatte, künstlich eingebremst zu werden. Während der Bordcomputer am Ende des Tests zufrieden einen Verbrauch von 4.3 l/100 km vermeldete, flossen tatsächlich leider 5.1 l/100 km durch die Einspritzdüsen, was gegenüber der Werksangabe einem Zuschlag von fast 40 % entspricht.

Die Preise für den Civic sind je nach Motorisierung und Ausstattung sehr unterschiedlich. Das Basismodell mit einem 1.4 Liter Benziner kostet ab 18’900 CHF, der Testwagen 31’700 CHF und das Topmodell mit dem 2.2 Liter Diesel ab 36’600 CHF. Allerdings ist nicht jede der fünf Ausstattungslinien für jede Motorisierung erhältlich, was einen Preisvergleich nicht ganz einfach macht. Ganz generell würde ich einen Diesel vorziehen, da Honda keine Turbo-Benziner anbietet, was sich hinsichtlich Verbrauch und Drehmoment negativ bemerkbar macht.

Alltag ★★★★★

Dank dem geringen Verbrauch, der immensen Reichweite und dem variablen Innenraum ist der Civic sehr gut für den Alltag gerüstet.

Fahrdynamik ★★★☆☆

Der Civic ist fahrdynamisch eher ausgewogen abgestimmt, die Fahrleistungen des Spardiesels sind ausreichend, nicht mehr und nicht weniger.

Umwelt ★★★★☆

Der neue Diesel aus dem Hause Honda glänzt zwar mit einem sensationellen NEFZ-Verbrauch, der sich aber bei weitem nicht erreichen lässt. Und wenn schon Earth Dreams Technology, dann sollte auch die Euro 6 Abgasnorm erfüllt werden, was jedoch nicht der Fall ist.

Ausstrahlung ★★★★☆

Der Civic ist eine recht unkonventionelle Erscheinung, welche die Meinungen spaltet, schliesslich lässt sich über Geschmack streiten. Eine gewisse Ausstrahlung bietet er aber auf jeden Fall und sehr aerodynamisch ist er auch noch.

Fazit ★★★★☆

+ Unkonventionelle Optik
+ Sehr gute Ergonomie
+ Knackiges und präzises Schaltgetriebe
+ Äusserst kultivierter und ruhiger Motorenlauf
+ Geschickte Variabilität, sehr einfach zu nutzen
+ Gute Platzverhältnisse

– Keine Assistenzsysteme erhältlich
– Deutlich höherer Verbrauch als angegeben
– Unübersichtliche Preisgestaltung

(Bilder: Honda)

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