In den urbanen Zentren sind die ÖV-Verbindungen gut, die Strassen dafür immer verstopft. Zudem ist ein Abo für die Bahn weitaus günstiger als ein eigenes Auto zu unterhalten. Ausserdem hat ein gesellschaftlicher Wandel stattgefunden, heute mit einem teuren Auto positiv aufzufallen, ist nur noch unter waschechten Autofans möglich – das Auto ist seit längerer Zeit kein Statussymbol mehr. Grund genug also für immer mehr junge Leute, die Finger von der mobilen Unabhängigkeit zu lassen. Dessen Problematik ist sich auch die Autoindustrie bewusst und will das natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Deshalb nehmen die Marketingabteilungen jetzt gezielt die jungen Autofahrer ins Visier.
Was bedeutet das? Müssen jetzt alle jungen Leute befürchten, dass plötzlich Vertreter einer Automarke vor der Haustüre stehen und anfangen, über die Vorzüge ihrer Modelle zu berichten? Nein, das Ganze läuft viel dezenter und geschickter ab. Einige Hersteller haben in grossem Stil Umfragen durchgeführt, wie sich junge Menschen ihr Traumauto vorstellen (in Bezug zur Ausstattung, nicht zur Leistungsfähigkeit). Die Antwort lässt sich kurz zusammenfassen: Preis und Verbrauch sollten nicht zu hoch sein, darüber hinaus soll sich das Auto stärker individualisieren lassen und intuitiver zu bedienen sein.
Das Interieur moderner Autos sieht dem Cockpit eines Flugzeugs immer ähnlicher: die Mittelkonsole ist gespickt von Knöpfen, mit denen sich Fahrmodi konfigurieren und diverse Einstellungen vornehmen lassen. Während der Fahrt eine Änderung vorzunehmen ist riskant, da man den Blick von der Strasse nehmen muss. Wie stellen die Hersteller es sich vor, den Wünschen der sogenannten “iGeneration” nachzukommen und die Bedienung übersichtlicher zu gestalten?
Die Antwort lautet: Social Media und Smartphone Kompatibilität. Das Smartphone ist zum wahren Alleskönner und treuen Begleiter vieler Menschen geworden. Hier wollen die Hersteller anknüpfen, und zwar mittels einer App für das eigene Auto. Die App zeigt dann wichtige Parameter wie den Ladezustand der Batterie, Tankinhalt und Reifendruck an. Auch lässt sich beispielsweise die Standheizung aktivieren, womit das morgendliche Enteisen nach einer Frostnacht der Vergangenheit angehört.
Jetzt zur gewünschten intuitiveren Bedienung. Damit man die Instrumente und die Strasse immer gleichzeitig im Blick hat, wurde das Head-Up Display entwickelt, welches wichtige Informationen auf die Windschutzscheibe projiziert. Jetzt geht man in Fahrzeugstudien einen Schritt weiter: Die Windschutzscheibe soll zur Kommandobrücke des Autos werden. Die Steuerung soll dabei so einfach wie bei einem Smartphone sein. Heisst das, die Windschutzscheibe verwandelt sich in einen überdimensionalen Touchscreen? Selbstverständlich nicht. Die Steuerung soll via Gesten funktionieren, ähnlich wie die Kinect Steuerung von Microsofts Xbox. So soll es möglich werden, Fahrmodi, Lüftung, Navigationsziel und Playlist einzustellen oder einen Anruf zu tätigen, indem man einfach eine kleine Bewegung vornimmt, welche das nun interaktive Head-Up Display quittiert. Concept Cars mit dieser neuartigen Bedienung existieren bereits.
Zudem soll das Auto Zugriff auf Social Networks und das Smartphone erhalten. Natürlich wird das Tippen oder das Ablesen der Timeline während der Fahrt unterbunden, aber es lassen sich vorkonfigurierte Texte, wie zum Beispiel “Ich komme 10 Minuten später” an eine Nummer im Adressbuch versenden. Oder das Navi holt sich Adressinformationen aller Facebook Freunden. Steht das Fahrzeug still, beispielsweise an einer Ampel oder im Stau, hat man sogar kompletten Zugriff auf Facebook, Twitter und Co.
Auch Konzepte mit einer Verbindung zu einer Cloud wurden vorgestellt. Das Auto soll sich dann selbstständig aus der Cloud die Lieblingssongs des Fahrers oder das neuste Kartenupdate vom Navi downloaden.
Ebenfalls soll sich das Auto effizienter nutzen lassen. Auf dem Navi lassen sich diverse Routen speichern, beispielsweise den Arbeitsweg. Nun lassen sich diese Routen online stellen – denkbar wäre auf Facebook – mit der Zeitangabe, wann man diese Route fährt. Hat jemand dasselbe Ziel, kann er sich bei dem Fahrer melden, welcher die betreffende Route online gestellt hat und eine Mitfahrgelegenheit organisieren. Ein Auto hat schliesslich nicht umsonst mehr als einen Sitzplatz.
Zu guter Letzt sollen auch die Fahrzeuge untereinander Informationen austauschen. Wenn eine ganze Kolonne Fahrzeuge immer langsamer wird und Stau droht, werden Autos, dessen Navi ebenfalls so programmiert ist, dass es auf den Stau zurollt, informiert. Das interaktive Head-Up Display zeigt dann eine entsprechende Meldung inkl. Routenänderung an.
Ist die Strasse rutschig und muss das ESP öfters eingreifen, so werden ebenfalls die nachfolgenden Fahrer informiert, dass auf dem Streckenabschnitt XY Rutschgefahr besteht.
Dies sind die Visionen der Autohersteller, um das Autofahren sicherer und interaktiver zu gestalten. Natürlich ist das Meiste davon Zukunftsmusik, doch ich bin sicher, dass es nicht sehr lange dauern wird, um in den Genuss dieser Musik zu kommen. Auch wird nicht von heute auf morgen eine Funktion bereitstehen, sondern sie wird langsam kommen. Darüber hinaus ist unsere Infrastruktur noch nicht genügend ausgereift für diese Art der Kommunikation.
Doch die Hersteller haben die Jungen erhört und werden nun häppchenweise die Wünsche erfüllen.
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