Seat Leon SC FR: Die Sonnenseite des Autofahrens

Der MQB von Volkswagen ist ein wahres Wunderwerk der Technik, da verschiedenste Fahrzeuge auf derselben Basis hergestellt werden können, was natürlich auch enorme Kosteneinsparungen mit sich bringt. Ich könnte jetzt die böse Behauptung aufstellen, dass der Golf die Basis, der Leon ein billigerer Golf, der A3 ein edlerer Golf und der Octavia ein verlängerter Golf ist. Um mir jetzt den Zorn von Seat zu ersparen, relativiere ich und sage, dass der Leon weitaus mehr als ein billigerer Golf mit Seat Logo ist. Dennoch sieht man ihm stellenweise an, dass gespart werden musste, um den Respektabstand zu seinen Konzernbrüdern zu wahren.

Während der Golf möglichst allen gefallen muss, zeichnet sich der Leon durch ein sportliches und scharfes Design aus. Insbesondere die getestete SC (Sport Coupé) Variante, also der Dreitürer in der Leon Familie, sieht richtig knackig aus und weckt hohe Erwartungen. Die drei Falten in der Seitenlinie sind so scharf gezeichnet, dass man meinen könnte, es bestehe Verletzungsgefahr. Auch das LED Tagfahrlicht und die Heckleuchten setzen das kantig-schnittige Design fort. Der Leon war übrigens der erste Vertreter der Kompaktklasse, der optional mit Voll-LED Scheinwerfern ausgestattet werden konnte. Mittlerweile hat Peugeot mit dem 308 nachgezogen.
Im Innenraum greifen die Alcantara Sportsitze, das unten abgeflachte Lenkrad und rote Nähte das sportliche Design wieder auf. Das übersichtliche und sauber verarbeitete Armaturenbrett wirkt sehr aufgeräumt, ebenso die Mittelkonsole. Das Mediasystem gefällt durch die einfache und durchdachte Bedienung mit Annäherungssensorik, allerdings ist die Bildschirmauflösung zu gering. Das kleine, hochaufgelöste Display zwischen den Instrumenten zeigt, dass Seat es besser könnte. Ebenfalls nicht ganz überzeugen konnte die Bluetooth Verbindung. Die Musikwiedergabe musste jedes mal von Hand gestartet werden, nachdem das iPhone erkannt wurde und während der Wiedergabe verschluckte sich das System hin und wieder. Das Platzangebot ist vorne wie auch hinten gut, sofern man den naturbedingt mühsamen Einstieg in den Fond überstanden hat. Der Kofferraum fasst wie beim Fünftürer 380 Liter. Während man dem Leon von aussen nicht ansieht, dass irgendwo gespart werden musste, finden sich im Innenraum ein paar Indizien: Die Handbremse ist rein mechanisch, die Kofferraumabdeckung wird mit Kordeln hochgezogen, die Getränkehalter haben keine Abdeckung und die Türverkleidungen bestehen aus reinem Kunststoff.

Der Testwagen in der höchsten Ausstattungslinie FR (Formula Racing) wurde vom stärksten Benziner, einem 1.8 TSI mit 132 kW und 250 Nm Drehmoment, in Verbindung mit dem 7-Gang DSG angetrieben. Für Dieselfreunde steht ein 2.0 TDI mit 135 kW und 380 Nm zur Verfügung. Eine Start-Stopp-Automatik ist bei beiden Varianten serienmässig dabei. Der aufgeweckte Benziner geht generell munter zur Sache und macht dem Leon genügend Druck. Das DSG schaltet dazu schnell und zum passenden Zeitpunkt. Bei Bergabfahrten hält es automatisch die Drehzahl hoch, um die Motorbremse besser zu nutzen. Beim manuellen Schalten mit den zu klein geratenen Paddels sind die Schaltvorgänge noch einen Tick aggressiver. Der Gemütszustand vom Leon lässt sich mit den vier verschiedenen Fahrmodi Normal, Sport, Eco und Individuell nach Lust und Laune anpassen. Im Normalmodus reagiert der Motor genügend schnell und Lenkung arbeitet unauffällig. Im Sportmodus wechselt die Ambientebeleuchtung in den Türen von Weiss in ein leuchtendes Rot, der Motor reagiert nun bissig auf jeden Gasbefehl und die Lenkung wird härter und direkter; perfekt für kurvige Bergstrassen. Der Eco Modus ist dabei das pure Gegenteil. Die Gasannahme fühlt sich zäh an und die Klimaanlage wird gedrosselt. Zudem wechselt das DSG, sobald man vom Gas geht, in den Segelmodus, damit möglichst wenig kinetische Energie verloren geht. Im Modus Individuell kann man die Parameter von Motor, Lenkung und Klimaanlage selber zusammenstellen. Die Werksangabe für den Verbrauch beträgt 5.7 l/100 km, während dem Test waren es nicht ganz so ruhmreiche 7.1 l/100 km.
Die Topmotorisierungen profitieren dank der aufwendigeren Mehrlenkerachse hinten von einem besseren Handling. Für ein noch agileres Fahrverhalten wurde beim SC der Radstand um 35 mm verkürzt – MQB sei Dank. Den Rest erledigt das FR Sportfahrwerk, denn all diesen Komponenten verdankt der Leon SC FR sein präzises Kurvenhandling, das mächtig Spass macht.
Puncto Sicherheit verfügt der Leon über sieben Airbags sowie auf Wunsch einen Müdigkeitswarner, Abstandstempomat, Fernlichtassistenten und Spurhalteassistenten. Letzterer, genannt Lane Assist, ist in der Lage, völlig alleine zu lenken, sofern beidseitig Fahrbahnlinien vorhanden sind. Anfangs noch ungewohnt, lernte ich es sehr zu schätzen, wie der Leon Kurven auf der Autobahn wie von Geisterhand alleine meisterte. Vor allem bei Nacht und Nebel schätzte ich es sehr, dass der Leon die Kurve teilweise vor mir erkannte und sanft einlenkte, da das System auch bei dichtem Nebel absolut zuverlässig funktionierte. Natürlich muss das Lenkrad permanent gehalten werden. Lässt man es los, piepst es nach einigen Sekunden mit der Aufforderung, man solle die Lenkung wieder übernehmen. Falls man dieser Aufforderung nicht folgt, deaktiviert sich der Assistent. Diese Art von Fahren ist ein Ausblick auf das autonome Fahren von morgen.

Der Seat Leon SC ist eine äusserst attraktiv gezeichnete Fahrmaschine, welche die Alltagstauglichkeit nicht vernachlässigt. Er profitiert dabei vom MQB und dem vollgestopften Volkswagen Regal. Schöne Türverkleidungen und andere angenehme Dinge wie ein Keyless-Go, elektrische Sitzverstellung und Tot-Winkel-Warner bleiben den teureren Geschwistern vorbehalten, denn irgendwie muss die Hierarchie schliesslich eingehalten werden.
Das ist aber nicht weiter tragisch, denn was Seat bieten möchte, ist bezahlbarer Fahrspass und dieses Versprechen wird mehr als nur eingehalten. Ausserdem muss sich der Leon auch aus technischer Sicht mit seinen LED-Scheinwerfern, dem innovativen Lane Assist und dem adaptiven Tempomat nicht vor der Konkurrenz verstecken. Der praktisch komplett ausgestattete Testwagen ist zwar mit 39’990 CHF kein Schnäppchen, aber wenn man bedenkt, in welch astronomische Preissphären sich andere Hersteller in der Kompaktklasse begeben (bsp. Mercedes A-Klasse: bis zu 80’000 CHF; und ich spreche nicht von der AMG Version), dann ist die Preisgestaltung bei Seat durchaus fair. Am Schluss bleibt für mich eigentlich nur noch die Frage: Wann und mit wieviel Leistung kommt der Cupra? 😀

Alltag ★★★★☆

Abgesehen vom mühsamen Einstieg ist die Rückbank durchaus erwachsenentauglich; der Kofferraum entspricht dem Klassendurchschnitt. Der Leon ist übersichtlich und handlich.

Fahrdynamik ★★★★☆

Der Leon kann sehr sportlich gefahren werden, optional sind sogar ein adaptives Fahrwerk und eine Progressivlenkung (hallo, Golf GTI) erhältlich. Hier gilt: die Erwartungen an den Cupra sind hoch, wenn sich bereits die “brave” Version so gut schlägt…

Umwelt ★★★☆☆

7.1 Liter Verbrauch auf nur 1300 Kilo Leergewicht sind mir ein bisschen zu viel, zumal die Strassenverhältnisse meistens mehr schlecht als recht waren und der Leon nicht mal richtig hart rangenommen werden konnte.

Ausstrahlung ★★★★★

Insbesondere der Leon SC ist optisch ein echter Leckerbissen, so dermassen scharf und kantig ist er gezeichnet.

Fazit ★★★★☆

+ Hohe Verarbeitungsqualität
+ Faires Preis- / Leistungsverhältnis
+ Präzise Lenkung
+ Sportlich abgestimmtes Fahrwerk mit Mehrlenkerachse hinten
+ Assistenzsysteme erhältlich
+ Intuitives Mediasystem, aber pixeliger Bildschirm
+ LED Scheinwerfer
+ Sexy Design

– Recht hoher Verbrauch
– Billige Türverkleidungen
– Sehr schnittige, aber zu kleine Aussenspiegel

Steckbrief

Marke / ModellSeat Leon SC
Preis Basismodell / Testwagen18'950 CHF / 39'990 CHF
AntriebBenzin, Frontantrieb
Hubraum / Zylinder1798 ccm / R4
Getriebe7-Gang DSG
Max. Leistung132 kW
Max. Drehmoment250 Nm
Beschleunigung 0-100 km/h7.2 s
Vmax226 km/h
Verbrauch Werk / CO2 Emissionen / Energieeffizienz5.7 l/100 km / 132 g/km / D
Verbrauch Test / CO2 Emissionen7.1 l/100 km / 164 g/km
Länge / Breite / Höhe4.23 m / 1.81 m / 1.45 m
Leergewicht1309 kg
Kofferraum380 l

(Bilder: Seat)

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